Christine Wolter
„Italien muss schön sein“
Impressionen, Depressionen in Arkadien.
Mit vielen arkadischen Zeichnungen.
114 Seiten, engl. Broschur, 11,40 Euro.
ISBN 978 3 92181053 8
Eine Anekdote aus der jüngsten deutschen Vorgeschichte ist Anfang und Grund dieses Büchleins: „Italien muss schön sein?“ war eigentlich keine Frage, sondern die Aufforderung einer Ost-Berliner Freundin, für einen Augenblick die verschlossenen Türen der Provinz hinter der Mauer zu öffnen — zu den Sehnsüchten, zu Wärme, Weite, Licht, Kunst. Ihr Italien — nach Goethes Bild: Pinien und Zypressen, freundliche Menschen, Orangen, römische Ruinen – musste schön sein.
Zum Schluss die drohende Beruhigung für deutsche Leser: „Italien ist gemeint, nur Italien?“
Dazwischen: der jahrelang wiederholte Versuch einer empfindsamen Reise auf Ab- und Seitenwegen. Zu Orten an den Rändern, in den Zwischenräumen, auf der Rückseite. Die Autorin spricht mit und von Leuten, in denen noch etwas von der Seele dieses Landes lebt. Vom alltäglichen sonnengetränkten Horror. Vom entscheidenden Nebensächlichen („wenn man es fände“).
Die beiden Herren und die Dame an der Rezeption haben jenes magische Alter, das sie keineswegs als Greise, doch das alle Gäste als sehr jung erscheinen läßt, sie verfügen über Sanftmut, eine genaue Aussprache und jenen liebevollen Blick, den es in keinem Hotel Europas gibt und der sagt: Ich erkenne dich wieder — auch wenn du noch nie hier gewesen bist. Sanfte Empfangsgottheiten, die das Reisen wieder zu dem machen, was es war. Nur in diesem Zwischenreich sind sie noch zu Hause, auf dieser Grenze.
Hier, in dieser Stadt, überdauert, verkörpert von den drei Empfangsgöttern eines Grenztempels mit dem Decknamen „Albergo della Posta“, ein verloren geglaubtes europäisches Kulturgut: gentilezza, Freundlichkeit.
Christine Wolter, geboren am 30. März 1939 in Königsberg, aufgewachsen seit 1950 in Berlin Ost, lebt seit 1978 in Mailand und jetzt auch wieder in Berlin. Erzählerin, Übersetzerin (u. a. Leonardo Sciascia, Alberto Savinio) und Herausgeberin (u. a. Lyrik von Giuseppe Ungaretti). Mitarbeiterin der Neuen Zürcher Zeitung. Eigene literarische Arbeiten seit den 1970er Jahren. Zum DDR-„Kultbuch“ wurde der Roman Die Alleinseglerin (1982 bei Aufbau) – vordergründig (und so von der DEFA verfilmt) eine ironische Fabel aus dem DDR-Alltag, vielmehr jedoch ein Bekenntnis gegen jeden Dogmatismus.