Tobben, Irene - Die Schindung des MarsyasIrene Tobben
Die Schindung des Marsyas
Nachdenken über Tizian und die Gefährlichkeit der Künste.
Mit vielen Abbildungen.
112 Seiten, engl. Broschur, Fadenheftung, 18,00 Euro.
ISBN 978 3 93110904 2

Die Schindung des Marsyas ist eine der schrecklichsten Geschichten der antiken Mythologie: der Satyr Marsyas, der mit seiner „jammernden und klagenden“ Flöte die phrygischen Hirten und Bauern bewegt, macht Apoll, dem Kunst-Gott mit der harmonischen Leier, den Rang streitig; dafür wird ihm von dem siegreichen Gott bei lebendigem Leib das Fell abgezogen. Ovid, der aufsässige Dichter im augusteischen „goldenen“ Rom, erzählt die Geschichte als Parabel der gewaltsamen Domestizierung ursprünglich subversiver Kunst. Über 1500 Jahre nach Ovid hat ein „König Midas der Kunst“, der prominenteste europäische Maler seiner Zeit: Tizian, in seinen letzten Lebensjahren das Thema aufgegriffen; sein Alterswerk ist der Abgesang auf den Humanismus der Renaissance und vielleicht ein Stück bitterer Selbstkritik.

Ovid und Tizian, beide keine Revolutionäre und keine politischen Denker, haben einen großen Teil ihres Werks der irdischen Liebe gewidmet. Ihr Interesse galt dem einzelnen Menschen, seiner Sehnsucht nach irdischem Glück. Mit ihren Interpretationen der Schindung des Marsyas geben sie das Bild einer Gesellschaft, die diese Sehnsucht oder diesen Anspruch nicht gelten lassen will. Ihr Schinder Apollon, den sie wohlweislich vom Leierspieler trennen, kennt kein Mitleid. Ovid und Tizian plaudern damit — so will es mir scheinen — eine Wahrheit aus, für die in der Neuzeit Jacob Burckhardt die prägnanteste Formulierung gefunden hat: „Die Macht an sich ist böse.“

Irene Tobben, geboren am 20. August 1949 in Niederkrüchten, am linken Niederrhein. Religionswissenschaftlerin und Kulturhistorikerin. Studium an der Freien Universität Berlin (promoviert von Klaus Heinrich); freie Lektorin und Redakteurin, Mitherausgeberin der Werke Klaus Heinrichs.
Irene Tobben lebt in Berlin.