Siemsen, Hans - Nein Langsam LangsamHans Siemsen
Nein! Langsam! Langsam!
Gesammelte Erlebnisse. Feuilletons 1919-1933.
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Dieter Sudhoff.
168 Seiten, engl. Broschur, Fadenheftung, 16,80 Euro.
ISBN 978 3 93110953 0

Wer sich mit Büchern und Literaten, Kunst und Künstlern, Theater, Kino, Varieté oder mit dem Alltag der wirren Zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts beschäftigt, stößt unweigerlich auf den Namen Hans Siemsen — ob in der Weltbühne, der Frankfurter Zeitung oder der Deutschen Zeitung Bohemia in Prag … dennoch ist er heute unbekannt. Gerade seine literarisch bedeutenden und menschlich berührenden Feuilletons — feine, leise Skizzen seiner „Erlebnisse“ in Berlin und anderswo und ein Lob der Langsamkeit — sind bisher zum größten Teil nicht wieder veröffentlicht worden.

Noch einen kenne ich und liebe ihn sehr, der verstand, langsam zu reisen. Er ging zu Fuß. Der alte Seume. Spaziergang nach Syrakus. Wer kennt das? Eins der besten Bücher deutscher Sprache. Nun ist allerdings Seume … einer der freiesten, einfach-männlichen, europäischen und besten Geister, die in Deutschland je gelebt und geschrieben haben, einer der ersten und besten Schriftsteller deutscher Sprache. Seine Bücher sind voll von Sätzen und Sentenzen, die noch heute so klug und neu und nützlich sind wie vor hundert Jahren. „Es ginge vieles besser in der Welt, wenn mehr gegangen würde“, sagt er. Und er meint damit: wenn man sich mehr Zeit nähme, Dingen und Menschen nahezukommen, um sie wirklich zu sehen und kennenzulernen. Mein Gott, was würde der heute sagen?!

Hans Siemsen, geboren 27. März 1891 im ev. Pfarrhaus in Mark bei Hamm, gestorben 23. Juni 1969 in Essen, begraben in Osnabrück. Dazwischen eine „typisch deutsche“ Literatenbiographie im 20. Jahrhundert: Buchhändlerlehre in Osnabrück, Bohemien in Schwabing, in der Café du Dôme-Szene am Montparnasse und im Charlottenburger Romanischen Café; Pazifist, einzelgängerischer Kosmopolit, selbstbewusster Homosexueller, Feuilletonist und Erzähler, Literatur- und Filmkritiker (der in der Weltbühne als erster in Deutschland über Charlie Chaplin schrieb). Seine Bücher erschienen bei Kurt Wolff, bei Ernst Rowohlt und im Verlag Die Schmiede.
Siemsen war ein enger Freund von Ringelnatz, von Franz Hessel (dem er 1941 in Sanary die Grabrede hielt), von Jules Pascin, Rudolf Levy, Hans Sahl, Renée Sintenis und George Grosz. 1934 ging er ins Exil nach Paris, von wo aus er zusammen mit Franz Hessel, der zunächst in Berlin geblieben war, anonym die Nachlassausgabe von Ringelnatz’ Gedichten edierte. Bei Kriegsbeginn interniert, konnte Siemsen nach Marseille entkommen und von dort mit Hilfe von Varian Fry 1941 nach New York. 1948 kehrte er nach Deutschland zurück. Vergessen und vereinsamt starb er in einem Altenheim der Arbeiterwohlfahrt.

Dieter Sudhoff, geboren am 30. Mai 1955 in Büren (Wesfalen), gestorben 24. Juni 2007 in Elsen, Paderborn. Er war Literaturwissenschaftler für Neuere deutsche Literatur an der Universität Paderborn. Forschungsarbeiten über die Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. Besondere Aufmerksamkeit fanden seine Publikationen über den Schriftsteller Karl May, mit dessen Spätwerk er sich intensiv auseinandersetzte.