Hessel, Franz - Teigwaren leicht gefärbtFranz Hessel
Teigwaren leicht gefärbt
Mit einem Avant-propos von Walter Benjamin und sieben Zeichnungen von Rudolf Schlichter.
112 Seiten, engl. Broschur, 9,00 Euro.
ISBN 978 3 92181040 8

„Ganz abgesehen davon, daß ich neidisch auf den Titel bin: es stehen so bezaubernd leichte Dingelchen in dem Buch, so hingehaucht, wirkliche soufflés – zum Beispiel die von dem Lokomotivführer, der nicht mehr pfeifen durfte, sowie das geradezu himmlisch echte Gespräch im Modesalon – es ist fast unfaßbar, wie ein Mann so etwas schreiben kann. In den Zeitungen haben sie jetzt in Firma Niveaulos & Kultur schreibende Damen angestellt, die in der Tat so dumm daherplappern können wie Papageien, die lange bei einem Dichter gestanden haben … Man decke diese Vögel zu; es sind auch mondäne Kakadus aus Kunstseide darunter: die rupfe man. Das Hübscheste über Frauen sagen nicht Frauen – Männer sagen es. Die stärksten Stücke des Hesselschen Buches reichen an Robert Walser heran, und es ist eine Freude, immer wieder darin zu blättern.“
Kurt Tucholsky, 1928 in der „Weltbühne“

Ich bin nicht er selbst. Ich bin Doppelgänger. Ich sehe ähnlich. Zum Verwechseln. Ich werde verwechselt.
Er muß noch schlimmer sein. Denn oft wird mir zugeblinzelt; noch öfter werde ich hart angefahren. In einem Nachtlokal, das ich zum ersten Male betrat, bekam ich gleich in der Tür eines hinter die Ohren von einem dicken Mädchen, das ich gar nicht kannte. So ein Kerl ist er.
Oder sind es mehrere? Gibt es uns häufig? Besonders schlau scheint er nämlich nicht zu sein. Es wird so viel gelacht über mich. Ich habe doch gar nichts Komisches an mir. Oder? Ich möchte gern einmal selbst etwas erleben. Aber ich sehe ähnlich. Sobald man sich ein wenig mit mir einlassen eingelassen hat, merkt man, daß ich es nicht bin, und wieder ist es nichts mit dem Erleben.
Das schüchtert einen schließlich ein. Nicht wahr? Ach, er muß auch ein schlechtes Gewissen haben. Einmal bekam ich anonyme Drohbriefe. Man hatte ihn ertappt. Nun fahre ich schon zusammen, wenn mich jemand auf der Plattform der Trambahn um Feuer bittet.

Franz Hessel, geboren am 21. November 1880 in Stettin, gestorben am 6. Januar 1941 im Exil in Sanary-sur-Mer.
Die geistigen Lebensstationen des jüdisch-deutschen Feuilletonisten (wie er sich selbst bezeichnete): München, Paris, Berlin.
Bekannt wurde er im Berlin der zwanziger Jahre als (von Tucholsky bewunderter) Erzähler, durch seine Proust- und Balzac-Übersetzungen und vor allem durch Spazieren in Berlin (1929; unter dem Titel Ein Flaneur in Berlin 1984 bei Das Arsenal), in dem Walter Benjamin „die Wiederkehr des Flaneurs“ in der deutschen Literatur sah.
1933 erhielt Hessel Schreibverbot, emigrierte 1938 nach Frankreich, wurde bei Kriegsbeginn im Lager Les Milles interniert (und starb an den Folgen).
Alfred Polgar schrieb ihm 1941 im New Yorker Aufbau den Nachruf: „Er war eine reine Seele … und schrieb reines Deutsch.“