Franz Hessel
Nachfeier
Novellen, Vorschule des Journalismus.
128 Seiten, engl. Broschur, 9,00 Euro.
ISBN 978 3 92181042 2
Neben den beiden zentralen Texten Vorschule des Journalismus und Hermes enthält Nachfeier eine Reihe kleiner Prosa-Stücke, die zuerst für Stefan Großmanns Tagebuch und für die Literarische Welt bestimmt waren (entsprechend dem in der Vorschule erwähnten „journalistischen Auftrag“). Daneben gibt es Geschichten aus Berlin, die befremdet und liebevoll der „neuen Generation“ nachspüren. Aber „seine“ Welt, so das Resümee seiner Wiederbegegnung mit Paris wie seiner Erfahrungen im Berlin der Zwanziger Jahre, ist untergegangen im Weltkrieg. Die zweckdienliche, der geschäftigen Gegenwart zugewandte Gesellschaft der Nachkriegszeit weist ihm, dem allem Zweck Abholden, den Rückzug ins Erinnern zu, in die – nach seinem Vorbild Proust – eigentliche Realität.
Aus NACHFEIER:
Als er in der Garderobe den Mantel abnahm und seinen weißen Tropenanzug mit der roten Riesenkrawatte im Spiegel besah – die Krawatte war aus dem Flickenkorb seiner alten Haushälterin und roch trotz aufgespritztem Parfüm immer noch nach Kampfer -, kam er sich etwas lächerlich vor. Da erschienen aber schon Elschen und Ilschen in der Saaltür, stürmten auf ihn zu und zogen ihn mit. Gleich wurde er durch flimmernden Staub gedreht. Was rings von Wänden und um tanzende Leiber bunt flatterte, tat wohl. Jazzmusik vergewaltigte angenehm. Schön war es danach auszuruhn und vom Polsterwinkel auf Gesichter, Tücher, Knie und Knöchel zu schaun, auf die tausend Glieder eines großen Tanzwesens, ohne Ansehn der Person.
Franz Hessel, geboren am 21. November 1880 in Stettin, gestorben am 6. Januar 1941 im Exil in Sanary-sur-Mer.
Die geistigen Lebensstationen des jüdisch-deutschen Feuilletonisten (wie er sich selbst bezeichnete): München, Paris, Berlin.
Bekannt wurde er im Berlin der zwanziger Jahre als (von Tucholsky bewunderter) Erzähler, durch seine Proust- und Balzac-Übersetzungen und vor allem durch Spazieren in Berlin (1929; unter dem Titel Ein Flaneur in Berlin 1984 bei Das Arsenal), in dem Walter Benjamin „die Wiederkehr des Flaneurs“ in der deutschen Literatur sah.
1933 erhielt Hessel Schreibverbot, emigrierte 1938 nach Frankreich, wurde bei Kriegsbeginn im Lager Les Milles interniert (und starb an den Folgen).
Alfred Polgar schrieb ihm 1941 im New Yorker Aufbau den Nachruf: „Er war eine reine Seele … und schrieb reines Deutsch.“