Béla Balázs
Die Jugend eines Träumers
Autobiographischer Roman.
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Hanno Loewy.
Ausgewählte literarische Werke in Einzelausgaben, erster Band.
376 Seiten, engl. Broschur, Fadenheftung, 24,00 Euro.
ISBN 978 3 93110919 6
Die Jugend eines Träumers, deutsch geschrieben, erschien nicht mehr in Moskau, sondern erst nach dem Krieg in Wien (1947) und in Budapest; die Neuausgabe macht diese education sentimentale nach mehr als einem halben Jahrhundert erstmals wieder zugänglich.
Titelgestaltung unter Verwendung einer Federzeichnung von Walther Klemm.
Das Porträt in der hinteren Klappe ist ein Bildausschnitt aus einem Passfoto (1930)
Eines meiner wichtigsten Geheimnisse war der große Kampf zwischen Licht und Finsternis, der sich an dunklen Wintermorgen an der Zimmerwand abspielte, wenn Marinka um sieben Uhr einheizen kam. Im Hof klirrte noch der schreckliche große Hund, der, zur Nacht losgebunden, seine Kette ruhelos hin und her schleifte. Ich sollte noch schlafen und verriet mich nicht. Denn ich war, indem ich die Augen öffnete, unbefugt in eine mir verbotene Sphäre eingedrungen. Was ich sah, war nicht für mich bestimmt. Also war hier das Heimliche, Verborgene, das eigentlich Wirkliche hinter den lichten Bildern des Tags. Tisch, Schrank, Stühle hatten ihre Masken abgelegt und zeigten ihr eigentliches, dunkles Schattengesicht. Auch Marinka gehörte zu ihnen. Sie kam leise aus dem Dunkel und blieb doch im Dunkel heimisch: und jetzt hatte ich sie belauscht. Sie war mit den dunklen Dingen im Einverständnis.
Béla Balázs (ursprünglich Herbert Bauer), geboren am 4. August 1884 in Szeged, gestorben am 17. Mai 1949 in Budapest.
„Ich bin ein ungarischer Dichter, der seit zwanzig Jahren deutscher Schriftsteller ist“, umschrieb Béla Balázs im Moskauer Exil 1940 seine literarische Biographie. An ihrem „deutschen“ Anfang – zu Beginn der 1920er Jahre in Wien – stehen die fast unbekannten, hier teilweise überhaupt zum ersten Mal veröffentlichten Feuilletons: Reflexionen über die tägliche Entstehung der Welt aus unsern Sinnen und Träumen. Balázs schrieb – seit 1923 in der Wiener Nachkriegszeitung Der Tag, in der Nachbarschaft von Alfred Polgar – über Kunst und Theater, über Maskenspiele und Puppen, über das Schielen der Sinne und die Magie des Weihnachtsbaums, über die Dauer einer Sekunde und über russische „Juden unterwegs“ nach Palästina.