Balázs, Béla - Die Geschichte von der LogodygasseBéla Balázs
Die Geschichte von der Logodygasse, vom Frühling, vom Tod und von der Ferne
Und andere Novellen aus den Jahren 1908 – 1914.
Aus dem Ungarischen übersetzt von Magdalena Ochsenfeld.
Mit einem Nachwort von Jùlia Lenkei.
Herausgegeben von Hanno Loewy.
Ausgewählte literarische Werke in Einzelausgaben, dritter Band.
136 Seiten, engl. Broschur, Fadenheftung, 14,90 Euro.
ISBN 978 3 93110931 8

Die Novellen dieses Bands entstanden zwischen 1908 und 1914 – frühe Versuche des jungen „ungarischen Dichters“ und späteren „deutschen Schriftstellers“ Béla Balázs in einer Zeit utopischer „Aufladung“, philosophisch-revolutionären Aufbruchs und literarischer Seelenexperimente, am Vorabend des Tods der alten mitteleuropäischen Welt.
Vom Tod – menschlichen, psychischen und sozialen Toden, Abschieden, Isolierungen in einem hilflos empfundenen fin de siècle – handeln auch diese Erzählungen, die jetzt erstmals deutsch erscheinen. (Die Titelerzählung wurde von Balázs selbst übersetzt.)

Marfa Kuzmies war die beste und feinfühligste Freundin meines Lebens. Doch ich habe nie mit ihr gesprochen.
Ich war damals in Berlin und ganz allein. Vollkommen allein und entblößt, denn damals hatte ich sogar meine Vergangenheit verleugnet, als fremden Eindringling, und selbst mein eigenes Gesicht war mir fremd. Zwischen den bedrohlichen braunen Steinmassen Berlins umhertreibend, sah ich auf dem zielsicheren Weg der eiligen Menschen Fäden, die von einem zum anderen gespannt waren. Ich lief wie über einem riesigen Netz und fürchtete, durch die Maschen zu fallen: ich armer, verirrter Fisch. Ein neues Leben begann damals in mir, und es gab niemanden, unter dessen Blick es Wirklichkeit werden konnte. Bald war mir auch der Klang der eigenen Stimme fremd.

Béla Balázs (ursprünglich Herbert Bauer), geboren am 4. August 1884 in Szeged, gestorben am 17. Mai 1949 in Budapest.
„Ich bin ein ungarischer Dichter, der seit zwanzig Jahren deutscher Schriftsteller ist“, umschrieb Béla Balázs im Moskauer Exil 1940 seine literarische Biographie. An ihrem „deutschen“ Anfang – zu Beginn der 1920er Jahre in Wien – stehen die fast unbekannten, hier teilweise überhaupt zum ersten Mal veröffentlichten Feuilletons: Reflexionen über die tägliche Entstehung der Welt aus unsern Sinnen und Träumen. Balázs schrieb – seit 1923 in der Wiener Nachkriegszeitung Der Tag, in der Nachbarschaft von Alfred Polgar – über Kunst und Theater, über Maskenspiele und Puppen, über das Schielen der Sinne und die Magie des Weihnachtsbaums, über die Dauer einer Sekunde und über russische „Juden unterwegs“ nach Palästina.