Auburtin, Victor - Was ich in Frankreich erlebteVictor Auburtin
Was ich in Frankreich erlebte
Und die Literarischen Korrespondenzen aus Paris 1911 – 1914.
Herausgegeben von Peter Moses-Krause
Werkausgabe in Einzelbänden, dritter Band.
476 Seiten, gebunden (Pappband, Fadenheftung), 24,90 Euro.
ISBN 978 3 92181026 2

Dieser dritte Band der Werkausgabe umfasst die französischen Jahre Auburtins: Er enthält überwiegend Feuilleton-Korrespondenzen, die das Berliner Tageblatt von Oktober 1911 bis Ende Juli 1914 druckte und die ein bedrückendes Zeitbild der zunehmenden Militarisierung der französischen Politik am Vorabend des Kriegs ergeben. Der zweite, kleinere Teil des Bandes enthält Auburtins Erinnerungen an seine Zivilinternierung vom August 1914 bis September 1917 in Korsika, die Anfang 1918 fast gleichzeitig in französischer und deutscher Ausgabe unter dem betont sachlichen Berichterstatter-Titel Was ich in Frankreich erlebte erschienen. Aufgenommen wurden zudem Texte, die zu den „französischen Jahren“ in Paris gehören (nebenbei die schönsten seines Lebens, wie er selbst sagte), doch vermutlich später entstanden, so Porträts von Anatole France und Jean Jaurès.

Beinahe noch mitten im Krieg war Was ich in Frankreich erlebte keine bittere Anklage, schon gar kein Rachegeschrei, sondern eine bürgerliche Stimme der Verständigung. So empfand es auch die zeitgenössische Kritik. Eine leidenschaftliche Rezension schrieb Peter Panter alias Kurt Tucholsky in der Weltbühne (am 20. Juni 1918):

Das ist eine Wohltat und eine Erfrischung: Was ich in Frankreich erlebte von Victor Auburtin. Nach all den großmäuligen Berichten neuartiger Helden, die die Wirkung von Technik, Organisation, Krafthuberei und einem kleinen Teil wirklichen Muts zusammenrafften; nach all den Bilderbüchern dieser Lokomotivführer der Kriegsmaschine (…) In den Aufzeichnungen steckt die herrliche Überlegenheit des Unterlegenen.

Victor Auburtin, Journalist und Feuilletonist, passionierter „Tourist“, Katzenliebhaber, geboren am 5. September 1870 in Berlin, „Tod in Rom“ am
28. Juni 1928.
Der Enkel von erzroyalistischen und stockkonservativen katholischen Emigranten aus dem (zu liberalen) Frankreich des Bürgerkönigs Louis Philippe war au contraire ein liberaler Europäer, fühlte sich als Angehöriger zweier Kulturen, der französischen und der deutschen, war Republikaner und Zivilist, abhold Nationalismus und Militarismus. Sein französischer Bewunderer Marcel Ray, einer der großen politischen Journalisten zwischen den Kriegen, nannte Auburtin lakonisch einen „Dichter, Bürger und Europäer“.
Französisches Gymnasium in Berlin, Studium der dt. Philologie und der Kunstgeschichte in Berlin, Bonn und Tübingen. Nach literarischen Anfängen im anti-wilhelminischen Simplicissimus Albert Langens war Auburtin seit 1911 Redakteur und Auslandskorrespondent (in Paris am Vorabend des ersten Weltkriegs, in Bern, Madrid und Rom) bei Theodor Wolffs legendärem Berliner Tageblatt. Seine Causerien – „unterm Strich“ auf Seite 3, jeden dritten Tag – wurden in den 1920er Jahren Vorbild für das ganze literarisch-journalistische Genre Feuilleton.
„Ganz Berlin“ (jedenfalls das liberale und gebildete) las ihn, und seine Feuilletons wurden in der deutschsprachigen Presse von Aachen bis Prag nachgedruckt; Kurt Tucholsky und Kurt Pinthus kritisierten und verehrten ihn, Tucholsky nannte ihn in einem Atemzug mit Theodor Fontane und Arthur Eloesser.