Victor Auburtin
Archimedes und das Wasserklosett
Griechische Causerien.
Ausgewählt und mit einem Vorwort von Peter Moses-Krause.
Mit Zeichnungen von alten Griechenland-Reisenden.
88 Seiten, engl. Broschur, Fadenheftung, 9,00 Euro.
ISBN 978 3 93110932 5
Auburtins Griechenland: Sehnsuchtsname ebenso wie Stoff für das déjà vu menschlicher Geschichte; weit entfernt von der stillen Einfaltsidylle der doitschen Romantik … Seine schönsten „griechischen“ Causerien aus dem alten Simplicissimus und dem legendären Berliner Tageblatt.
Zum Beispiel dieser Sokrates, der Lump, beim Gastmahl des Agathon. Er geht hin, obgleich er noch von gestern her einen Kater hat. Nachdem er bei Tisch drei Stunden lang schweigend getrunken hat, hält er seine Rede über den Eros; hinterher bekommt er Durst, und es werden größere Gläser geholt; die Hälfte der Gäste liegt schon unter dem Tisch, Sokrates aber hat mit drei Freunden eine stramme Ecke gebildet. Sie lassen eine große Trinkschale rechtsherum kreisen, während draußen alle Hähne krähen, und streiten sich über die Frage, ob ein und derselbe Dichter Tragödien und Komödien schreiben kann. Dann findet Sokrates, daß es zu spät sei, schlafen zu gehen; er wäscht sich das Gesicht am marmornen Brunnen und begibt sich an sein Geschäft. Sein Geschäft bestand darin, die Menschen Weisheit zu lehren.
Victor Auburtin, Journalist und Feuilletonist, passionierter „Tourist“, Katzenliebhaber, geboren am 5. September 1870 in Berlin, „Tod in Rom“ am
28. Juni 1928.
Der Enkel von erzroyalistischen und stockkonservativen katholischen Emigranten aus dem (zu liberalen) Frankreich des Bürgerkönigs Louis Philippe war au contraire ein liberaler Europäer, fühlte sich als Angehöriger zweier Kulturen, der französischen und der deutschen, war Republikaner und Zivilist, abhold Nationalismus und Militarismus. Sein französischer Bewunderer Marcel Ray, einer der großen politischen Journalisten zwischen den Kriegen, nannte Auburtin lakonisch einen „Dichter, Bürger und Europäer“.
Französisches Gymnasium in Berlin, Studium der dt. Philologie und der Kunstgeschichte in Berlin, Bonn und Tübingen. Nach literarischen Anfängen im anti-wilhelminischen Simplicissimus Albert Langens war Auburtin seit 1911 Redakteur und Auslandskorrespondent (in Paris am Vorabend des ersten Weltkriegs, in Bern, Madrid und Rom) bei Theodor Wolffs legendärem Berliner Tageblatt. Seine Causerien – „unterm Strich“ auf Seite 3, jeden dritten Tag – wurden in den 1920er Jahren Vorbild für das ganze literarisch-journalistische Genre Feuilleton.
„Ganz Berlin“ (jedenfalls das liberale und gebildete) las ihn, und seine Feuilletons wurden in der deutschsprachigen Presse von Aachen bis Prag nachgedruckt; Kurt Tucholsky und Kurt Pinthus kritisierten und verehrten ihn, Tucholsky nannte ihn in einem Atemzug mit Theodor Fontane und Arthur Eloesser.