Auburtin, Victor - Abenteuer mit FräuleinsVictor Auburtin
Abenteuer mit Fräuleins
und anderen Berlinern.
Herausgegeben von Heinz Knobloch und Peter Moses-Krause.
Mit Zeichnungen von Wolfgang Würfel.
86 Seiten, engl. Broschur, Fadenheftung, 9,00 Euro.
ISBN 978 3 93110907 3

Er mag „zweitens Berlin nicht“, behauptete Kurt Tucholsky, erkannte aber bald: der „richtige, leise Berliner“ Victor Auburtin hat — wie Fontane und sein Altersgenosse Arthur Eloesser — Berlin „mit jenem heitern, freundlichen, liebevollen Spott gesehen … so mit einer zwinkernden Ironie, die ablehnt und doch nicht lassen kann, zu lieben“.
Die hellsichtige „Hassliebe“ dieser dreißig Miniaturen und Feuilletons aus dem Berliner Tageblatt von 1911–1927 macht dem heutigen Leser bewusst, wie sehr Berlin — das „immer wird und nie ist“ — und die Berliner sich in einem Jahrhundert unter dem „Scheuerlappen“ ihres Himmels treu und gleich geblieben sind.

Wir kennen die Kunst des Spazierens nicht; die Kunst des Flanierens … Aber diese junge Dame da drüben, die scheint doch wirklich in aller Gemächlichkeit spazieren zu gehen. Sie ist sehr hübsch, allzu hübsch, geht ganz allein, und langsam, und schlenkert mit dem Handtäschchen. Aha, aha! Argwöhnisch sieht der Schutzmann sich nach ihr um. In dieser emsigen Stadt Berlin sind Spazierengehen und Laster so ungefähr dasselbe.

Victor Auburtin, Journalist und Feuilletonist, passionierter „Tourist“, Katzenliebhaber, geboren am 5. September 1870 in Berlin, „Tod in Rom“ am
28. Juni 1928.
Der Enkel von erzroyalistischen und stockkonservativen katholischen Emigranten aus dem (zu liberalen) Frankreich des Bürgerkönigs Louis Philippe war au contraire ein liberaler Europäer, fühlte sich als Angehöriger zweier Kulturen, der französischen und der deutschen, war Republikaner und Zivilist, abhold Nationalismus und Militarismus. Sein französischer Bewunderer Marcel Ray, einer der großen politischen Journalisten zwischen den Kriegen, nannte Auburtin lakonisch einen „Dichter, Bürger und Europäer“.
Französisches Gymnasium in Berlin, Studium der dt. Philologie und der Kunstgeschichte in Berlin, Bonn und Tübingen. Nach literarischen Anfängen im anti-wilhelminischen Simplicissimus Albert Langens war Auburtin seit 1911 Redakteur und Auslandskorrespondent (in Paris am Vorabend des ersten Weltkriegs, in Bern, Madrid und Rom) bei Theodor Wolffs legendärem Berliner Tageblatt. Seine Causerien – „unterm Strich“ auf Seite 3, jeden dritten Tag – wurden in den 1920er Jahren Vorbild für das ganze literarisch-journalistische Genre Feuilleton.
„Ganz Berlin“ (jedenfalls das liberale und gebildete) las ihn, und seine Feuilletons wurden in der deutschsprachigen Presse von Aachen bis Prag nachgedruckt; Kurt Tucholsky und Kurt Pinthus kritisierten und verehrten ihn, Tucholsky nannte ihn in einem Atemzug mit Theodor Fontane und Arthur Eloesser.